„Finden, was uns verbindet“

Die Rheinpfalz, 18.12.2013

Sie kommen aus Mannheim, Landau und Neustadt. Ihre Wurzeln aber haben sie in Russland. Wenn sich die Zehn- bis 16-Jährigen Freitagabend im Jugendclub „Garmonika“ in der Neustadter „Juphi“ (Jugendphilharmonie Deutsche Weinstraße) treffen, spielen sie, veranstalten kleine Wettbewerbe oder mal eine Party. Sie reißen russische Witze, singen russische Lieder. Sie spüren ihrer Herkunft nach und fühlen sich einander auf eine ganz besondere Weise nah.

Ebenwaren sie noch Fürstin Koschka, eine vornehme Katzendame, und die Baronin Henne. Eben waren Diana und Lisa noch Theaterschauspielerinnen und Anastasija Komerloh Regisseurin. Probten gemeinsam mit den anderen „Das Katzenhaus“, ein Stück nach dem bekannten russischen Kinderbuchautor Samuil Marschak, der Klassiker der sowjetischen Kinderliteratur geschrieben hat. Es ist ein supermoralisches Tiermärchen um die hochmütige Fürstin Koschka und ihren hartherzigen Diener, die all ihren Besitz verlieren und schließlich bei zwei armen, verwaisten Katzenkindern Asyl finden, jenen, deren Bitten um Hilfe sie zuvor aufs rüdeste abgewiesen hatten. Nach zwei Stunden Theaterprobe sind Diana, Lisa und die anderen kein bisschen müde. „Sie haben den Freitag herbeigesehnt“, sagt Anastasija Komerloh, die als Theater- und Kulturpädagogin in München lebt und arbeitet.

Die Zehn- bis 16-Jährigen tummeln sich am Bühnenrand, um den schwarzglänzenden Flügel, auf Stühlen und Polstern. Sie kommen aus der ganzen Umgebung, um zusammen Theater zu spielen und sich später im Jugendclub „Garmonika“ zu treffen. Sie sind lose befreundet oder enger – wie Diana und Lisa, die in Neustadt und Mannheim wohnen und zur Schule gehen. Wenn sie sich am Wochenende in Neustadt mit rund 20 anderen Kindern und Jugendlichen imJugendclub treffen, dann fühlen sich diese Begegnungen, diese gemeinsam verbrachte Zeit, anders an. Anders als mit ihren deutschen Freunden. Besonders schön. Besonders nah. Sie teilen eine gemeinsame Herkunft, eine oft sehr ähnliche Familiengeschichte mit Eltern, die noch Kinder waren, als sie von Russland nach Deutschland kamen. „Wir finden hier etwas, was uns verbindet“, sagt Diana, die das Kurfürst-Ruprecht-Gymnasium in Neustadt besucht. Mit ihren Eltern spricht die 16-Jährige zu Hause einen Mix aus Russisch und Deutsch. „Ich möchte all das lernen,was ich noch nicht von der russischen Kultur weiß“, sagt Diana. Allein den russischen Humor zu teilen, sich auf eine ganz bestimmte Art lustige Anekdoten zu erzählen, Witze zu reißen und auch über sich selbst zu lachen, genießen die Freundinnen. Wenn sie hören möchten, wie sich Kindheit in der Sowjetunion anfühlte, fragen sie Anastasija Komerloh. Manchmal sitzen sie freitags noch lange zusammen– nach demTheaterspielen, den kleinen Wettstreiten, dem Singen. „Nastja“ erzählt dann von ihrer glücklichen, behüteten Kindheit im Kasachstan der frühen 1980er Jahre. Von Spielen und Traditionen. „Diese Generation“, sagt die heute 35-Jährige, „hat eine tiefe Sehnsucht nach ihren Wurzeln. Wir wollen diese ein Stückweit stillen.“ Komerloh ist vor 15 Jahren nach Deutschland gekommen, die ersten davon hat sie in Neustadt verbracht. Wirklich Fuß zu fassen, ist ihr schwer gefallen. Sie wollte sich engagieren, aber fand keine passenden Strukturen…

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